Auf der Suche nach dem passenden Geburtstagsgeschenk für meine beiden Sprösslinge habe ich mir lange den Kopf zerbrochen. Immerhin steht bei meinem Sohnemann mit 30 ein runder und beim Töchterchen mit 35 Jahren ein halbrunder Freudentag ins Haus, da sollte es schon etwas Besonderes sein. Was also kann schöner sein, als mit dem Papa zusammen drei erlebnisreiche Tage in einer der schönsten Regionen der Schweiz zu verbringen?

Die Jungfrau Region mit dem Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau gehört für mich zum Spektakulärsten und Schönsten, was die Schweiz zu bieten hat. Die Tourismusverantwortlichen sehen das naturgemäß ganz genauso und publizieren dies auch äußerst selbstbewusst. Egal ob  Top of Europe (Jungfraujoch),  Top of Adventure (Grindelwald First), Top of Interlaken  (Harder Kulm) oder  Top of Swiss Tradition  (Schynige Platte), alles ist hier irgendwie Top. Und mit dem Top of Europe Pass sowie der Gästekarte vom Hotel ist fast alles mit drin, sozusagen „all inclusive“. Günstig ist der Spaß natürlich dennoch nicht, aber dafür gibt es unvergessliche Erlebnisse, die dann doch zu unbezahlbaren Momenten werden.

Bummelfahrt in nostalgischer Bahn

Anfang September 2021 starten wir also gemeinsam in die Ferienregion Interlaken, wo wir in Wilderswil, am Eingang zu den Lütschinentälern Richtung Grindelwald und Lauterbrunnen, mit dem Jungfrau Hotel einen guten Ausgangspunkt für unsere Unternehmungen finden. Nur wenige Schritte vom Hotel entfernt liegt der Bahnhof, von wo aus auch die nostalgische Bahn zur Schynigen Platte ihre einstündige Bummelfahrt in teils offenen Panoramawagen antritt. Die nächsten drei Tage ist der Bahnhof morgens unsere erste Anlaufstelle.

Jungfrau Eiger Nordwand
Die beiden Geburtstagskinder vor der Kulisse der Eiger Nordwand ©Wolfgang Henne

Schöner und entspannter, als mit der Berner Oberland Bahnund den Postautos zu reisen, geht es fast nicht, zumal die Fahrten im Top of Europe Ticket bereits ab Interlaken inklusive sind. Dazu kommt, dass sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Egal ob Zug, Bus, Bergbahn oder Schiff, alles greift präzise ineinander, wie die Rädchen des sprichwörtlichen Schweizer Uhrwerks. Und mit der passenden App von SBB Mobile, hat man seine Verbindungen immer im Blick.

Für die Fahrt mit der ersten Bahn aufs Jungfraujoch sind wir heute zu spät dran, also fahren wir mit dem Zug erstmal bis Grindelwald. Unser Plan ist eine schöne Wanderung von der Großen Scheidegg bis zum Berggasthaus Grindelwald-First. Die aussichtsreiche, meist einspurige Straße hoch zur Großen Scheidegg, ist allerdings den Postbussen vorbehalten. Für die einfache Fahrt sind 23,80 CHF pro Nase fällig, willkommen in der Schweiz. Die abenteuerliche Fahrt und der atemberaubende Blick auf die legendäre Eiger Nordwand lassen uns das kleine Loch in der Reisekasse aber schnell vergessen. Zu schön hier oben, um sich darüber Gedanken zu machen.

Konsorten der Viertausender-Riege

Vor uns liegen eineinhalb Stunden Genusswandern mit Blick auf das Schreckhorn, das Wetterhorn und noch ein paar weitere Konsorten der Viertausender-Riege, deren Gletscher in der gleißenden Sonne vor dem tiefblauen Himmel um die Wette strahlen, ein perfekter Tag. Auf der großen Terrasse des Berggasthaus First genießen wir ein Firschtplättli und danach die leckeren Rösti aus dem Gusspfännchen. Wir könnten hier oben den Rest des Tages in der Sonne sitzen und uns am Panorama sattsehen, aber Grindelwald-First nennt sich nicht umsonst „Top of Adventure“.

Jungfrau First Cliff Walk
Spektakulär ist der Blick vom First Cliff Walk auf dem Grindelwald-First ©Wolfgang Henne

Auf 2.200 Metern über Meer begeben wir uns auf den First Cliff Walk, der entlang der senkrechten Felsen auf einem 45 Meter ins Nichts ragenden Steg seinen Höhepunkt findet. Auge in Auge mit den weißen Majestäten der Berner Alpen. Zurück ins Tal geht es entweder bequem mit der Gondelbahn oder aber abenteuerlich mit den unterschiedlichsten Flug- und Fahrgeräten mit Nervenkitzel-Garantie. Der First Flieger und der First Glider machen den Anfang.

Was für eine Gaudi!

Spektakulär schweben wir, frei wie ein Adler, mit bis zu 80 Stundenkilometern durch die Luft. Am meisten Spaß haben wir bei der anschließenden Fahrt mit den Mountain Carts auf der drei Kilometer langen, teils steilen und sehr kurvigen Abfahrt. Durch die Kurven driften, haarstäubende Ausbremsmanöver, was für eine Gaudi! Eher gechillt geht es die restlichen 4,5 Kilometer mit den Trottibikes, vorbei an schönen Bergwiesen, bis nach Grindelwald und mit der Bahn zurück zum Hotel. Ein grandioser Ausflugstag voller Erlebnisse geht zu Ende. Etwas erschöpft sitzen wir beim Abendessen auf der Terrasse des Hotel-Restaurants Chochtopf und genießen die letzten Sonnenstrahlen, die die Bergspitze der Jungfrau gekonnt in Szene setzen.

Früh aufstehen heißt es am nächsten Tag, wenn wir die erste Bahn aufs Jungfraujoch erwischen möchten. Vom Grindelwald Terminal gleiten wir mit der neuen und weltweit modernsten 3S-Bahn „Eiger Express“ auf Tuchfühlung entlang der Eiger Nordwand bis zur Station Eisgletscher. Beeindruckend, so nahe kommen wir der Nordwand nie wieder. Wir hatten vor der Reise im Rahmen eines Filmeabends noch das Drama „Die Nordwand“ zusammen angeschaut, was das ganze Erlebnis jetzt noch viel eindrücklicher macht, als es eh schon ist.

Zum höchsten Bahnhof Europas

Am Eisgletscher wechseln wir direkt in die Jungfraubahn, die uns durch die Eiger-Nordwand bis zum höchsten Bahnhof Europas befördert. Nach einem kurzen Halt in der Eiger Nordwand mit Sicht auf das Eismeer erreichen wir das Dach Europas auf 3.454 M.ü.M.. Was für ein Erlebnis! Vom Gletscherplateau, dem wohl coolsten Foto-Spot der Alpen, genießen wir eine fantastische Rundumsicht. Auf der einen Seite reicht der Blick bis in die Vogesen und den Schwarzwald, auf der anderen Seite breitet sich mit dem Aletschgletscher der mächtigste Eisstrom der Alpen aus, gesäumt von imposanten Viertausendern. Mehr Aussicht gibt es nirgends.

Jungfrau Region Schweiz Bahnhof
Mit der Jungfraubahn durch die Eiger Nordwand zum höchsten Bahnhof Europas ©Wolfgang Henne

Das „Gipfelfoto“ auf dem Plateau mit der Schweizer Fahne ist ein Muss und wird sicher einen besonderen Platz in unserem Geburtstags-Experience-Fotoalbum bekommen. Der ultraschnelle Doppellift bringt uns auf die 117 Meter über dem Jungfraujoch gelegene Sphinx-Aussichtsplattform mit sensationeller Aussicht. Auch von hier haben wir einen fantastischen Blick auf den Aletsch-Gletscher runter bis zum Eggishorn. Auch der gespurte Weg durch die hochalpine Gletscherwelt zur Mönchsjochhütte ist gut zu erkennen.

Der Spaziergang bis zur höchstgelegenen bewirtschafteten Hütte der Schweiz auf 3.650 M.ü.M. ist zwar nicht sonderlich steil oder schwierig, die dünne Luft hier oben macht uns aber ganz schön zu schaffen. Nach 40 Minuten und einigen Verschnaufpausen erreichen wir schließlich die Hütte und genießen das grandiose Panorama. Wer früh genug dran ist, bekommt sogar einen Platz auf der Terrasse oder in der Hütte. Zurück am Joch begeben wir uns auf den spiegelglatten Rundgang durch die frostige Welt des Eispalastes, einem künstlich angelegten Gletscherstollen mit zauberhaften Skulpturen aus kristallklarem Eis.

Drehort für die wohl bekannteste Tragödie der Alpingeschichte

Mit der Jungfraubahn fahren wir zurück zur Kleinen Scheidegg und stehen auf der Terrasse des historischen Hotels Bellevue des Alpes, das als Drehort für die wohl bekannteste Tragödie der Alpingeschichte diente, den Besteigungsversuch der Eiger Nordwand 1936. Mit der Wengernalpbahn, der längsten durchgehenden Zahnradbahn der Welt, geht es gemütlich hinunter nach Lauterbrunnen. Die Aussichten wechseln von den majestätischen Viertausendern ins tief eingeschnittene Lauterbrunnental mit seinen 72 Wasserfällen, allen voran der 297 Meter hohe Staubbachfall. Im Sommer gelangt man über eine kleine Felsengalerie sogar hinter die herabstürzenden Wasser des Wasserfalles.

Jungfrau Mürren
Spaziergang durch das autofreie Mürren ©Wolfgang Henne

Auch am dritten Tag bringt uns die Berner Oberland Bahn pünktlich um 07:21 Uhr ab Wilderswil zu unserem heutigen Ziel. Das Schilthorn – Piz Gloria wartet mit der Lizenz zum Staunen auf uns. Vom Talschluss in Stechelberg führt uns die beeindruckende Gondelfahrt in vier Etappen hoch bis auf 2.970 Meter. Die Aussicht während der Fahrt ist sensationell. Im autofreien Mürren setzen wir eine Gondel aus und flanieren durch die Gassen des Bilderbuchdorfes. Rund 400 Einwohner bewohnen die charmanten Chalets von Mürren, das hoch über dem Lauterbrunnental atemberaubende Blicke auf Eiger, Mönch und Jungfrau gewährt. Schönere Fotomotive wie hier findet man nicht oft.

Thrill Walk an der senkrechten Felswand

Die nächste Etappe bringt uns zur Mittelstation Birg auf 2.677 M.ü.M. Der Skyline Walk als teils verglaste Plattform über dem Nichts und der spektakuläre Thrill Walk, der sich an der senkrechten Felswand entlang hangelt, erfordern unseren ganzen Mut. Der Walk über Glasplatten, Stahlseile und durch eine Maschendrahtröhre über der Steilwand ist Nervenkitzel und Bergerlebnis pur. Getoppt wird das Erlebnis nur noch auf dem Schilthorn selbst. Piz Gloria, auf den Spuren von James Bond.

Jungfrau Skyline Thrill
Spektakuläre Erlebnisse auf dem Skyline Thrillwalk an der senkrechten Felswand ©Wolfgang Henne

Die legendäre 007 Film Location von „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ auf 2.970 Metern ist schlicht sensationell. Das 360°-Restaurant dreht sich in 45 Minuten an über 200 Berggipfeln vorbei einmal um die eigene Achse. Das Buffet im Restaurant ist übrigens sehr lecker und preislich akzeptabel, inklusive Kaffee und Pro Secco ohne Limit. Das Ticket zum Schilthorn ist nicht Teil des Top of Europe Passes und kostet 105,89 CHF inkl. Busticket für die Strecke Lauterbrunnen – Stechelberg. Für Geburtstagskinder gibt es die Fahrt auf das Schilthorn übrigens gratis (Ausweis nicht vergessen).

Die einzigen Gletscherwasserfälle Europas

Bei der Rückfahrt mit dem Bus Richtung Lauterbrunnen machen wir einen Halt bei den Trümmelbachfällen. Der Trümmelbach entwässert alleine die riesigen Gletscherwände von Eiger, Mönch und Jungfrau. Über die zehn Gletscherwasserfälle im Berginnern donnern bis zu 20.000 Liter Wasser pro Sekunde in die Tiefe. Mit einem Tunnel-Lift und felsigen Wegen, Treppen und Aussichtsbalkonen zugänglich gemacht, ist es ein beeindruckendes und manchmal auch feuchtes Spektakel. Die einzigen Gletscherwasserfälle Europas gehören zum UNESCO Weltnaturerbe.

Jungfrau Schweiz St-Beatus
Gut eine Stunde dauert der Rundgang durch die beleuchtete St. Beatus Höhle ©Wolfgang Henne

Auch unser nächstes Ziel liegt eher im Verborgenen. Die St. Beatus-Höhlen am Thunersee nahe Interlaken zählen zu den bekanntesten und beliebtesten Ausflugszielen der Schweiz. Und das zurecht, wie wir bei dem etwa einstündigen Rundgang durch die beleuchtete Tropfsteinhöhle erleben dürfen. Jacke nicht vergessen, in der Höhle liegt die durchschnittliche Temperatur konstant zwischen 8 und 10 Grad Celsius. Fast am Ende der Höhle erreichen wir den Grand-Tour-Foto-Spot. Mit der Höhlenkulisse im Hintergrund ein richtig tolles Fotomotiv. Am Eingang der Höhle entsteht gerade eine neue Gastronomie, die pünktlich zum Saisonbeginn am 1. April 2022 Eröffnung feiert. Da muss ich dann wohl dieses Jahr nochmal vorbeischauen.

Drei Tage reichen bei weitem nicht aus

Es gibt hier in der Ausflugsregion Interlaken so viel zu sehen und zu erleben, dass uns die drei Tage bei weitem nicht ausreichen. Mit der letzten Bahn am späten Nachmittag fahren wir hoch auf den Harder Kulm, den Hausberg von Interlaken. Vom scheinbar schwebenden Zweiseensteg eröffnet sich uns ein unvergleichlicher Blick auf Interlaken und das imposante Panorama auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Das Glitzern des Thunersees auf der einen und dem Brienzersee auf der anderen Seite machen den Bilderbuchmoment perfekt. Ich finde, ein gebührender Abschluss für unsere fantastische Experience in die Jungfrau Region der Schweiz.

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