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Die ersten Sonnenstrahlen blitzen gerade über die Bergspitzen, als wir uns auf den Weg machen und den Hügel zur Kapelle St. Martin erklimmen. Der Bergsagenweg lockt. Wir werfen einen kurzen Blick in die urige Pilgerstube und spazieren mit prall gefüllten Rucksäcken über den Jakobsweg gen Osten. Schon bald geht es über grüne Almwiesen hinab ins Tal, immer wieder klingeln Kuhglocken in der Ferne.
Mittlerweile steht die Sonne hoch am Himmel und das schattige Larchtal sorgt für Abkühlung. Der Duft der rosafarbenen Bauernorchideen am Bachufer begleitet uns bis zur Kapelle Maria Larch mit der weithin bekannten Heilquelle. Hier wimmelt es plötzlich nur so vor Besuchern. Mountainbikefahrer füllen ihre Trinkflaschen auf, Einheimische zapfen gleich einen ganzen Wochenvorrat des Wassers ab. Wir machen natürlich auch einen kurzen Abstecher zum barocken Brunnenhäuschen, bevor wir weiter über den Bergsagenweg zum ersten Etappenziel im Tiroler Ort Wattens wandern.
Einsteiger auf dem Bergsagenweg unterwegs
Der neue Bergsagen-Weitwanderweg verläuft in einer großen Runde durch die österreichische Region Hall-Wattens östlich von Innsbruck. Die Strecke verbindet das Karwendelgebirge im Norden mit den Tuxer Alpen im Süden des Inntals, Wanderer bleiben dabei stets in luftigen, aber nicht hochalpinen Höhenlagen. „Fernwanderungen liegen im Trend“, erzählt uns Vera Rainer vom örtlichen Tourismusbüro. „Wir haben daher einen neuen Weg geschaffen, der auch für Einsteiger gut geeignet ist.“

Die insgesamt knapp 80 Kilometer sind in fünf Tagesetappen aufgeteilt, die stets in einem der Dörfer enden. Hier können Wanderer je nach Wunsch in kleinen Pensionen oder in komfortablen Hotels übernachten. „Unterwegs tauchen Urlauber in unsere jahrhundertealten Sagen ein“, erklärt Vera Rainer die Idee des Bergsagenwegs. „Entlang der einzelnen Etappen lassen wir Alpengeister, Märchen und christliche Legenden aus längst vergangenen Zeiten wieder aufleben.“ Den richtigen Weg zeigt stets das Bergsagenweg-Symbol auf gelben Schildern, hilfreich sind auch die digitalen Tracks für Smartphone-Apps.
Unterwegs locken spannende Sagen und Mythen
Die erste Etappe ist eine Aufwärmübung für die Beine und führt in rund vier Stunden von Gnadenwald nach Wattens. Auf halber Strecke steht eine historische Kapelle, die bereits im Mittelalter als Wallfahrtsort diente und um die sich die Sage der Maria Larch dreht. „Ein Abstecher zu den Swarovski Kristallwelten lohnt sich in jedem Fall“, findet Dejan Pavlović vom Ristorante Pronto im Zielort Wattens. „Das ist ein beliebtes Ausflugsziel für Gäste aus aller Welt.“

Wir erreichen schon mittags unser Ziel und haben noch Zeit bis zum Check-in im Hotel. So statten wir den künstlerisch gestalteten Wunderkammern kurzentschlossen einen Besuch ab. Am zweiten Tag ist frühes Aufstehen Pflicht, denn neben knapp 18 Kilometern sind auch 1.100 Höhenmeter zu bewältigen. Vorbei an der Rätersiedlung Himmelreich, die zu den ersten Siedlungen im Inntal gehört, geht es zur gleichnamigen Aussichtsplattform, von der sich ein herrlicher Ausblick über das Inntal und das gegenüberliegende Karwendelgebirge eröffnet.
Ab jetzt führt der Weg nur noch bergauf. Schritt für Schritt erklimmen wir die Tuxer Voralpen bis zur Voldertalhütte, dann geht es über schmale Waldpfade zur Mittelstation der Glungezerbahn. Mit der Ruhe ist es hier vorbei. Wo einst der Glungezer Riese sein Unwesen trieb, toben jetzt Kinder auf einer Hüpfburg, Familien spielen gemeinsam mit Zirbenkugeln auf der großen Kugelbahn. „Fahrt’s doch mit der Seilbahn ins Tal“, schmunzelt die Wirtin im Alpengasthof Halsmarter, als sie unsere müden Gesichter sieht. Rasch ist das Ticket gelöst und innerhalb weniger Minuten schweben wir hinab zum Etappenziel Tulfes.
Zum Abschluss ist Kondition gefragt
Der Heilige Romedius soll der Sage nach bei seiner Wallfahrt auf einem Bären geritten sein, wir hingegen begeben uns zu Fuß auf die etwas kürzere, dritte Etappe. Zu den Höhepunkten zählt die schmucke Altstadt von Hall, die an die Zeiten des Salzhandels erinnert. Für Etappe Vier sind Kondition und Trittsicherheit gefragt. Über schmale Steige geht es steil hinauf zur Thaurer Alm, die zur ersten Rast einlädt.

Felsige Pfade führen zur weithin sichtbaren Kaisersäule in Pyramidenform und zum Törl, dem höchsten Punkt des Bergsagenwegs. „Hier hab ihr den besten Blick ins Karwendel mit dem Gipfel des Bettelwurfs und könnt die Sage um einen unheimlichen Geist nachlesen“, hatte Vera Rainer versprochen. Tief unten sind jetzt schon die Herrenhäuser zu sehen, die von der Tiroler Salz- und Bergbaugeschichte zeugen. Weiter talwärts lädt das ehemalige Kloster St. Magdalena zur Einkehr, dann geht es über den steilen Fluchtsteig zurück zum Ausgangsort Gnadenwald.
Die letzten 700 der insgesamt 3.500 Höhenmeter des Bergsagenwegs verteilen sich auf die letzte Etappe, die rund um den Ort Gnadenwald hinauf zur Walderalm führt. Hier spukt es glücklicherweise nur der Legende nach. „Probiert auf jeden Fall die Kaspressknödel“, hatte Sabine vom Frühstücksteam im Speckbacher Hof am Morgen empfohlen. Gesagt, getan. Frisch gestärkt füllen wir hoch oben auf der Alm an einem der zahlreichen Brunnen unsere Wasserflaschen wieder auf und machen sich auf die letzten zehn Kilometer des Bergsagenwegs.
Informationen
Fakten Bergsagenweg
Start und Ziel am Parkplatz Kranzach in Gnadenwald.
Länge: 78,72 km und 3.554 Höhenmeter in 5 Etappen
Beste Reisezeit: Mitte Juni bis Mitte Oktober
Weitere Informationen, Karten und GPS-Tracks unter: www.hall-wattens.at/bergsagenweg
Zwischen dem Naturpark Karwendel und den Tuxer Voralpen liegt die Region Hall-Wattens östlich von Innsbruck.
Anreise
Mit dem Zug über München nach Hall in Tirol. Per Bus geht es in 20 Minuten nach Gnadenwald. Am Wanderstartpunkt am Parkplatz Kranzach befindet sich eine Haltestelle. Mit dem Auto geht es ebenfalls über München, dann bei Kufstein über die Grenze nach Österreich und weiter nach Gnadenwald. Für die Dauer der Wanderung ist eine Berechtigungskarte für den Parkplatz in Gnadenwald beim Tourismusbüro erhältlich.
Wer statt Autobahn über die Alpenpässe anreisen möchte, findet täglich aktualisierte Informationen über die Befahrbarkeit auf unserem Pässeportal.
Unterkunft
Ein guter Ausgangspunkt für den Bergsagenweg ist das Alpenhotel Speckbacher Hof in Gnadenwald in der Nähe des Start- und Zielpunkts. Das traditionsreiche Hotel bietet großzügige Zimmer mit Bergblick, gute österreichische Küche und einen Wellnessbereich samt Naturschwimmteich.
Wanderer sind auch in der Pension Alpenblick herzlich willkommen. Der Familienbetrieb liegt nahe der Glungezerbahn am Ende der Etappe 2.
Aktivitäten
Hall in Tirol lockt mit seinem großen, historischen Zentrum und dem Areal der Burg Hasegg mit dem Münzerturm. Die hübschen Bauten zeugen vom frühen Wohlstand, denn Hall wurde im Mittelalter durch die Salzgewinnung zum bedeutendsten Wirtschaftsstandort Nordtirols. Sehenswert ist auch das Münzmuseum, denn 1486 wurde in Hall der weltweit erste Taler geprägt.
Einer der größten Zirbenbestände Europas liegt mitten in der Region Hall-Wattens am Glungezer. Hier an der Waldgrenze ist der Baumbestand licht, die älteste Zirbe am „Ampasser Kessel“ ist über 700 Jahre alt. Einen Ausflug lohnt der aussichtsreiche Zirbenweg, der über gut sieben Kilometer auf 2.000 Metern Höhe vom Patscherkofel zur Tulfeinalm führt. Die Bergerlebniswelt Kugelwald am Glungezer mit ihrer weltweit einzigartigen Zirbenholz-Kugelbahn in freier Natur lädt zu Bewegung und kreativem Gestalten ein.
Daniel Swarovski gründete 1895 sein Unternehmen für geschliffenes Kristall in Wattens, Tirol. Zum hundertjährigen Jubiläum wurden die Swarovski Kristallwelten eröffnet. Ursprünglich konzipiert vom Multimediakünstler André Heller haben berühmte Namen aus Kunst und Design hier Kristall auf ihre eigene Art interpretiert.