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Es ist kalt, die Skistiefel knirschen, es ist sogar zapfig-kalt um sieben Uhr morgens in Großarl. Ein früher Gassigeher mischt sich unter die Leute, der Hund schaut skeptisch. Die spinnen, die Gäste, die da Ski durch die Dämmerung tragen. Und es werden mehr, kurz vor der Panoramabahn. Das „Skikeriki“, jeden Mittwoch, ist was für frühe Vögel. Die ersten Schwünge noch in diffusem Licht, dann steigt die Sonne auf der Gegenseite. Magisch, sie malt in Lilatönen, dann in Orange, es sind Gänsehautmomente.
Frisch präparierte Pisten, so viel Platz zum Carven. Als die Sonne dann richtig da ist, geht’s in die Gehwolfalm zum Frühstücken. Das heutige Großarl liegt in einem anmutigen Tal, hat moderne Bahnen und schicke Hotels, punktet mit der Skischaukel hinüber nach Dorfgastein und erfreut mit eben diesem Early-Morning-Skiangebot. Großarl ist zeitgeistig, aber die Anfänge als Skiort hat man in Großarl immer noch im Herzen. Sie leben in den Familienlegenden weiter und so manche Stube zieren als Deko noch „Habrettln“. Damit gemeint sind Holzbretter, die man an den Schuhen mit Schnüren und Riemen festband.
Damals war man wetterhart
Einen ersten Abfahrtslauf von Remsteinkopf gab schon in den 1920er Jahren und schon im Jahr 1930 kamen auch die ersten Wintergäste ins Großarltal. 1935 wurde das Bergland-Skiheim eröffnet, 1610 Meter hoch gelegen, ohne Zufahrtsstraße, nur mit Pferd und Schlitten erreichbar. Einheimische Burschen verdingten sich als „Sherpas“, aber der alpin begeisterte Mensch war seinerzeit auch weniger anspruchsvoll, dafür wetterhart. Dabei besaß das Bergland-Skiheim bereits eine Schwerkraftheizung, hatte eine eigene Trinkwasser-Quelle und ab 1937 schon Strom aus einem raffinierten eigenen Wasserkraftwerk.
Die ganz großen Zeiten kamen dann zwischen 1955 und 1959, als der damals sehr berühmte ORF-Moderator Sepp Forcher hier einer der Pächter war. Er und seine Frau Helene, „Helli“ heirateten 1956 sogar in ihrer Gaststube, weil die geplante Trauung im Juni 1956 in der kleinen Kapelle am „Arltörl“ nicht ins Wasser, aber in den Schnee fiel. „Wintereinbruch“ im Sommer. Die Forchers liebten das Haus und die Gäste liebten die Forchers, lange bevor Sepp eine Berühmtheit wurde. Damals schon konnte er erzählen – von seinem bewegten Leben.
Unendlich viele Höhenmeter
Am 17. Dezember 1930 als Giuseppe Forcher in der italienischen Hauptstadt Rom geboren, mit einer Kindheit in Sexten, verbog die große Politik der Faschisten auch im Kleinen die Lebenswege. Forchers Eltern entschieden sich nach dem Südtirol-Abkommen von Mussolini und Hitler für die so genannte „Option“. Sie kehrten der Heimat Südtirol den Rücken und verließen Sexten in Richtung „Ostmark“, wie Österreich vom NS-Regime bezeichnet wurde. Ab 1940 lebte die Familie dann im Tennengebirge bei Werfenweng, wo sie die Heinrich-Hackel-Hütte des Alpenvereins bewirtschaftete.
Hütten(er)leben war in der D N A von Sepp angelegt. Anfang der 1950er-Jahre arbeitete der junge Mann als Lastenträger beim Bau des Heinrich-Schwaiger-Hauses in Kaprun, eine der höchstgelegenen Schutzhütten der Ostalpen auf 2.802 Meter Seehöhe. Er machte unendlich viele Höhenmeter, war ein sogenannter „Baraber“, also Lastenträger – auch beim Kraftwerksbau in Kaprun.
Die nächste Pionierin
Der Mann war definitiv fit und demütig im Herzen, denn Berge bergen immer auch Gefahren. Als er 1986 Moderator der Volksmusik- und Brauchtumssendung „Klingendes Österreich“ im ORF wurde, hätte man keinen Besseren finden können. Bis 2020 moderierte er 200 Mal die Sendung. Sepp und Helli starben kurz nacheinander, Helli am 28. November und Sepp am 19. Dezember 2021, zwei Tage nach seinem 91. Geburtstag. Sein größter Wunsch, nicht lange von Helli getrennt zu sein müssen, ging letztlich in Erfüllung. Im Landes-Skimuseum in Werfenweng gibt es seit 2020 eine sehenswerte Sepp-Forcher-Stube – in Großarl gibt es die Erinnerung, den Pioniergeist und den Idealismus.
1965 war Maria Hauser die nächste Pionierin von Großarl. Sie ließ einen ersten „Berglandweg“ bauen, „sakrisch steil“, aber so, dass sie zumindest in den Sommermonaten mit einem VW-Käfer bis zum Berglandhaus fahren konnte. Im Winter kam man immer noch mühsam hoch, und doch entstand dort oben ein erstes „Skizentrum“. Ohne Lift, aber mit geprüftem Skilehrer. Der Tourismus nahm Fahrt auf, ein Schlepplift in den 1970er Jahren war die Revolution schlechthin. Das Skigebiet wuchs mit Liften und Bahnen bis zum Kreuzkogelgebiet, das Bergland-Skiheim lag abseits, die „Bergland-Abfahrt“ war ein legendäres Tiefschneeparadies.
Romantik vs. Skimoderne in Großarl
Seit 2023 sieht die Welt nun anders aus: Eine neue 10er-Gondelbahn führt von der Talstation der früheren Hochbrandbahn auf das Kieserl auf 1.954 Meter. In rund 15 Minuten gondelt sie hinauf, überfliegt einen Tobel, den Skifahrer bis dahin mühsam mit Schieben und Aufsteigen durchqueren mussten. Nun mag der eine oder die andere sagen, dass man ein Stück Romantik eliminiert habe, aber die Anforderungen der Skimoderne sind nun mal andere und doch geht es auch jetzt wieder ein großes Stück um Pioniergeist. Denn in der neuen Bergstation entstand die Wolke 7. Einfach himmlisch. Im Ranking der besten Alpenhütten ganz weit oben.
Im Dezember 2022 eröffneten zwei Tal-Hoteliers und der Lebensmittelhändler etwas Unikales. Man serviert Kaspreßknödelsuppe genauso wie eine Kürbis-Orangencremesuppe, da gibt auch mal Currys und die Weinkarte ist erlesen, zu Preisen, die mehr als fair sind. Jeder soll genießen können, den 360-Grad Blick bewundern dürfen, längst kommen auch Genießer ohne Ski herauf, es gibt auch einen Winterwanderweg. Und das Ambiente? Hell, eher urban, auch mal ein bisschen flauschig. 130 Plätze drinnen, 130 draußen, das Wort Logenplatz könnte für die Wolke 7 erfunden worden sein.
Wenn man Gastgeben im Blut hat
Die Wolke 7 ist auch Ziel eines besonderen Skigenusses: Beim Gondeldinner werden zwei Gänge mit Weinbegleitung in der Gondel serviert, das himmlische Dessert in der Wolke. Die Handschrift des Nesslerhofs ist erkennbar und dieses Hotel ist auch eine Familiengeschichte vom Pioniergeist. 1976 eröffneten Hermann Neudeckers Eltern neben dem landwirtschaftlichen Betrieb eine Frühstückspension. Hermann lernte Koch – und dann Tina kennen, eine ebenso sympathische wie zupackende Frau mit exzellenter Weinexpertise.
Wenn man Gastgeben im Blut hat – hier nennt man das „Gästeflüstern“ – und vor der Frage steht „Quo Vadis?“ darf man nicht biedermeierlich denken. Hermann riss den alten Bauernhof ab und im November 2011 eröffneten Tina und Hermann Neudegger nach nur 13 Monaten Bauzeit das 4-Sterne-Superior-Hotel gleich gegenüber der „Hochbrandbahn“, die es damals noch gab. Die Gäste liebten das Haus und es war wieder klar: Kleckern ist in der heutigen Zeit kurzsichtig: Der„Zwanzigsechzehn-Zubau“ an der Nordseite des Nesslerhofs schuf 14 weitere Suiten & Zimmer, einen Wellnessbereich mit über 1.800 Quadratmeter sowie das Restaurant mit Buffetbereich. Groß und großzügig, klar und doch gut für den Wohlfühlfaktor.
Im Großarltal zahnt vieles ineinander
Wer sehr früh im Haus unterwegs ist, trifft? Hermann. Wer sehr spät unterwegs ist, trifft? Hermann. Er lebt sein Haus, dass er und Tina „ganz nebenher“ noch drei tolle Töchter großgezogen haben, Sarah, Marie und Lisa, spielt er eher herunter. Es ist selten, dass ein Hotel dieser Klasse so viel mit einer Familie voller Herzenswärme zu tun hat.
Apropos Wärme: Die Niedertemperaturheizung war teuer, aber nachhaltig. Generell auch ein Herzensthema der Familie, sogar die Abwärme des Wäschetrockners wird genutzt. Nachhaltigkeit prägt das Tal generell, es gibt Fernwärme aus Hackschnitzeln oder auch ein Konzept wie die Genuss-Manufaktur am Eingang des Tales: Eine Metzgerei, ein Restaurant, ein Genuss-Laden für das Beste aus der Region. Hier setzt man auf Wärmerückgewinnung der Kühlaggregate, die beständig zwölf Grad Celsius in den Produktion halten. Die Metzgerei verarbeitet einzig Rind- und Kalb-Fleisch von Talbauern. Einer der Bauern ist auch Schlachter, in der Manufaktur wird als Veredelungsbetrieb wirklich regionale Wertschöpfung betrieben.
Hier im Großarltal zahnt vieles ineinander und ist längst nicht nur für die Gäste konzipiert, sondern vor allem dafür, dass Einheimische gut und Ressourcen schonend weiter in den Bergen leben und arbeiten können. Übrigens: Die alte Kabinenbahn Hochbrand, die wegen der Kieselbahn weichen musste, ist kein Sondermüll – sie läuft nun in Forstau auf der Fageralm, das ist Upcycling.
Informationen
Anreise
Die Befahrbarkeit der Alpenpässe sollte man besonders im Auge behalten, wenn man im Winter ins Großarltal fahren möchte. Schnell und problemlos erreicht man das Skigebiet über die Tauernautobahn A10. Abfahrt Bischofshofen, bis St. Johann im Pongau, weiter auf der Großarler Landesstraße L 109.
Mit der Bahn bis St. Johann im Pongau. Weiter mit dem Postbus Nr. 540, mit dem Taxi, diverse Hotels organisieren auch Transfers.
Skigebiet
Mit 73 bestens präparierten Pistenkilometern bietet das Skigebiet ein ideales Terrain für alle, die entspanntes Skivergnügen suchen. Die Abfahrten sind überwiegend leicht bis mittelschwer und somit ideal für Genussskifahrer, die Wert auf gemütliches Gleiten und malerische Ausblicke legen. Auch Anfänger und Wiedereinsteiger kommen auf ihre Kosten.
Rodelhütte
Ein Wintererlebnis der besonderen Art bietet die Rodelhütte auf der Loosbühelalm. Die rasante Abfahrt führt von der Alm hinunter zum Parkplatz Grund und verspricht jede Menge Spaß für Groß und Klein. Doch bevor es auf die Rodel geht, steht der Aufstieg auf dem Programm: Eine ca. 1,5-stündige Wanderung führt durch verschneite Landschaften zur idyllisch gelegenen Alm.
Wer es bequemer mag, kann den Aufstieg mit dem Taxi abkürzen und direkt zur Loosbühelalm fahren. Oben angekommen wird man nicht nur mit einer herrlichen Aussicht, sondern auch mit köstlichen Schmankerln aus der hauseigenen Landwirtschaft belohnt. Hausgemachte Spezialitäten wie herzhafte Jausen und süße Leckereien machen den Aufenthalt in der gemütlichen Hütte zu einem kulinarischen Highlight. Frisch gestärkt geht’s dann auf die Rodel – die Abfahrt zurück ins Tal sorgt für jede Menge Action und gute Laune.