Olympia 2026 Livigno: Zurück in die Zukunft

Vom 6. Februar bis zum 22. Februar 2026 ist dann Olympia 2026 Livigno. Die Olympischen Winterspiele Milano Cortina 26 bauen zwar auf bestehenden Anlagen auf, die Entfernungen zwischen den Sportstätten werden aber gewaltig sein. In Livigno werden die Snowboard- und Freestyle-Bewerbe stattfinden – und in diesen italienischen Wintersportort muss man erst mal kommen.

Von Schmugglern und Saumpfaden: das alte Livigno

Früher waren das eben Saumpfade über Pässe. Man lebte auch vom Schmuggeln – wenn man ein junger Mann war und gut zu Fuß. Gianluigi, geboren 1935, war einer davon, seine „squadra“ bestand aus Gruppen bis zu zehn jungen Männern, die mit 30 Kilo Tragegestellen unterwegs waren, gewandet in Loden und Lederstiefeln. Es ging vor allem um Zigaretten, ein bisschen um Kaffee, weniger um Alkohol, denn der war einfach zu schwer zu schleppen.

Der ehemalige Schmuggler Gianluigi ist heute ein alter Mann
Der ehemalige Gianluigi erinnert sich gerne an seine Schmugglerzeiten ©Nicola Förg

Gianluigi war eines von zehn Kindern, arbeitete mehrfach in der Schweiz als Dachdecker, aber die Schmuggelzeiten haben sich eingebrannt. Sie liefen bis zu vier Touren in Sommernächten, teils wurden die Waren in verschwiegenen Hütten zwischengelagert, manchmal holte ein Auto die Träger wieder ab und die Finanzbehörden drückten ein Auge zu, wenn sie so ein Auto mit den Schmugglerjungs anhielten. Sie hatten auch Geld bekommen, um die Augen leichter zuzudrücken. Drei Jahre war Gianluigi auf Schmugglerpfaden durchs Val Alpisella und Val Trela unterwegs, sein Livigno war ein ganz anderes damals.

Pan da Carcént und Bauernschläue: Traditionen, die bleiben

Lange lebte man von einer Landwirtschaft voller Beschränkungen. Auf 1.800 Metern wächst wenig, aber die Breite des Hochtales und seine Besonnung ermöglichten Weidegrund für zähe Weidetiere alpiner Rassen. Und es gediehen Rüben, die auch zu Brot verbacken wurden.

Das berühmte Pan da Carcént besteht aus getrockneten, gekochten und gemahlenen weißen Rüben, das Brot hat die Form eines Donuts. Der Geschmack ist unikal und im Hier und Heute in vielen Hotels beim Frühstück zu verkosten. TAST heißt ein Projekt, das traditionelle Livigno-Produkte auf den Tisch bringt – auch Pan da col mit Kolostrum-Milch oder Pan da séal mit Roggenmehl, Anissamen und Bierhefe.

In einem typischen Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert werden solche Geschichten erzählt. Das „MUS! Museo di Livigno e Trepalle“ berichtet davon, dass Not erfinderisch macht und definitiv einen komplett anderen Menschenschlag hervorbringt als einen, der unter einem Füllhorn in der Ebene lebt.

Don Parenti und die Energie der Berge

Einer, der das wusste, war Don Parenti, Pfarrer von Trepalle, auch als höchstgelegenes dauerbewohntes Dorf Europas gehandelt. Giovannino Guareschi hat ihn als Inspiration für seinen „Don Camillo“ genommen. Der Schriftsteller war im Sommer 1948 im Dorf und fasziniert von der Präsenz des Kirchenmanns.

„Beim Sprechen brüllt und gestikuliert er“, beschreibt Guareschi den Mann, der wusste, dass in einer solchen Umgebung mehr wie anderswo Pragmatismus vonnöten ist. Parenti nutzte die Vorteile der zollfreien Zone und eröffnete die erste Tankstelle in Livigno. 1936 konnte er das Pfarrhaus und andere Gebäude im Sommer durch eine Wasserturbine beleuchten, später durch einen Verbrennungsmotor auch das ganze Jahr über.

Er war zu Lebzeiten eine Legende, zapfte Kontakte an, um an Telefon- und Wasserleitungen angeschlossen zu werden, und schaffte es, dass 1952 die Straße nach Bormio auch im Winter öffnete.

Straße, See, Tunnel: Wie Livigno Anschluss fand

1971 war wieder so ein Meilenstein: See und Tunnel waren endgültig fertig. Für Gianluigi war der Stausee immer ein Fremdkörper. Vor der Flutung standen – wie bei vielen anderen Stauseen – Enteignung, Querelen; am Ende wurde gesprengt, abgetragen und überflutet.

Der Energiebedarf der boomenden Nachkriegswelt war gewaltig. Die Heimat von Menschen fiel der Wasserkraft zum Opfer, auch Tränen wurden weggeschwemmt. Aber die Einwohner von Livigno hatten nun beständigen Strom und Zugang zur Schweiz – und damit auch Zugang zu neuen Gästen.

Der Stausee Lago di Livigno umgeben von schneebedeckten Bergen und Flächen
Der Stausee Lago di Livigno entstand erst Anfang der 1970er Jahre ©Nicola Förg

Die kamen nun seit 1971 durch den grauen einspurigen Gruseltunnel. Er spuckt einen nach 3,5 Kilometern in einem scharfen Rechtsknick aus und entlässt einen mit dem Blick auf einen glitzernden See, magisch schön zwischen den Bergen – aber eben ein Stausee, geschaffen zur Elektrizitätsgewinnung.

Für die Olympia 2026 Livigno werden etwa ein Drittel der erwarteten Zuschauer über Graubünden anreisen, durch diese wunderbaren Arvenwälder hinter Zernez. Im Engadin ist man da ziemlich vergrätzt, man hat nun das Verkehrsproblem und selber keinen Benefit. So wird primär ein Park-and-Ride-System im Raum Zernez und Val Müstair geprüft. Es gibt sogar Überlegungen, in Landquart einen Parkplatz zu errichten und die Besucher dann per Zug mit der Rhätischen Bahn nach Zernez und weiter nach Olympia 2026 Livigno zu transportieren.

Olympia 2026 Livigno: Zwischen Bergromantik und Modernisierung

Dort, wo man dann hinterm Tunnel wieder Licht erblickt, liegt das moderne Livigno. Die Zollfreiheit verdankt das Dorf übrigens dem kleinen Korsen – es war für Napoleon von strategischer Wichtigkeit, an dieser Stelle in den Alpen einen Handels- und Truppenweg mit Infrastruktur zu etablieren.

Livigno ist heute ein Städtchen, eine Shopping-Schlender-Zone, wobei die Zollfreiheit in Zeiten von Factory Outlets und Online-Freitagen ihren Zauber verloren hat. Auf der Hauptmagistrale tönt auch mal viel zu laut O Sole Mio vor Après-Bars. Livigno ist italienisch, alpin, jung und alt zugleich.

Freestyle, Snowboard und Super-G: Livigno auf der großen Bühne

2026 kommt nun also Olympia – genauer gesagt: Olympia 2026 Livigno. Luca Moretti, der CEO der Tourismusbehörde, ist positiv gestimmt. Er ist ein „Local“, war Slalomfahrer in der italienischen Nationalmannschaft, in seinen Adern fließt Rennblut und Heimatliebe.

Freestyle- und Snowboard-Action im Herzen der Alpen
Freestyle- und Snowboard-Action im Herzen der Alpen ©Fabio Borga

Für ihn überwiegt der Werbeeffekt: „Gerade im Freestyle-Bereich sind die Asiaten und die Amerikaner groß.“ Und Livigno wird bei Olympia 2026 auf die Bildschirme der Welt gebracht. Viele kannten bisher die Dolomiten oder Zermatt – Livigno als Olympia-Austragungsort dagegen eher weniger.

Das Hotel Spol wird so das erste 5-Stern-Hotel in Livigno. Auf der Mottolino-Seite wurde die Talstation bereits umgebaut, der alte Monte-Sponda-Sessellift wurde ein 8-Sitzer mit Sitzheizung. Lange schon gefordert, bisher nicht finanzierbar, war die Gondelbahn, die beide Seiten verbinden soll. Ob sie bis zu den Olympischen Winterspielen 2026 fertig wird, focht Moretti nie an: „Geduld, wenn das Projekt 2027 fertig ist, auch gut.“

Verkehr, Besucher, Visionen: die logistische Herausforderung von Olympia 2026 Livigno

Der CEO sieht in eine Zukunft nach Olympia 2026 Livigno, die komfortabler werden soll, autofreier, nicht aber größer. Drei neue Tiefgaragen sollen vor allem nach den Olympischen Spielen 2026 den Individualverkehr aus dem Ort verbannen. Die Fan-Arena, die in der weiten Ebene stehen wird, wo heute die Langläufer rackern und skaten, verschwindet nach dem Event wieder.

„Alles easy“, sagt Moretti – internationale Großereignisse mit Halfpipes und Schanzen hat Livigno schon häufig ausgerichtet. Wenige Wochen vor der Eröffnung der Spiele wird die Gemeinde aber zum ersten Mal ein alpines Weltcuprennen austragen – einen Super-G, der technische Präzision mit hohem Tempo verbinden will.

Nach den Spielen: Livigno zwischen Tourismus und Nachhaltigkeit

Olympia 2026 Livigno wird sicher wieder etwas verändern. Im Gebirge weiß man, dass das Wetter unberechenbar ist, dass Licht immer Schatten bedeutet und Geduld eine Kernkompetenz ist. Gianluigi musste sie beim Schmuggeln haben, wenn er in einem Versteck saß. Moretti, wenn sich der Start des Slaloms immer wieder verzögerte. Livigno lehrt, dass starke Wurzeln helfen, die Blätter in die Zukunft zu recken.

Blick auf zwei Männer auf Skiern, die auf die Straße unter dme Berg schauen
Neue Wege nach Livigno: Olympische Zuschüsse fördern bessere Mobilität © Samuel Confortola

Praktische Informationen

Anreise

Aus Deutschland geht es am einfachsten über den Julierpass und St. Moritz ins Unterengadin, alternativ über Landeck. Täglich aktualisierte Informationen über die Befahrbarkeit gibt es auf dem Pässeportal.

Ebenfalls möglich ist die Anreise per Autoverlad ins Unterengadin über den Vereina-Tunnel. Weitere Informationen erhält man über die Hotline +41 81 288 37 37 oder auf der Website der Rhätischen Bahn.

Der Tunnel Munt La Schera ist einspurig und wird abwechselnd befahrbar. Die Durchfahrt ist gebührenpflichtig. Weitere Informationen finden Sie auf

Skigebiet

Das Skigebiet erstreckt sich auf Höhen zwischen 1816 und 2798 Metern, weitgehend oberhalb der Baumgrenze. Livigno, Austragungsort der Olympia 2026 Freestyle- und Snowboard-Bewerbe, liegt sehr sonnig, weil das Tal anmutig weit ist.

115 km Pisten: 65 km rot, 30 km blau, 20 km schwarz.

Freeriden

Freeride-Projekt: Über die Website und die App MY LIVIGNO können alle wichtigen Infos tagesaktuell abgerufen werden.

Heliskiing

In Livigno ist Heliskiing möglich, begleitet von einem UIAGM-Bergführer.

Sunrise Emotion

Mit den ersten Sonnenstrahlen auf fresh tracks Skifahren! Ab 8.30 Frühstück in der Skihütte Costaccia, immer Dienstag ab 7 Uhr.

Park & Pipe

Auf beiden Seiten des Gebiets Bordercross, Snowparks und Funareas – einer der Hotspots der Alpen!

Langlaufen

Schneesicher wegen der Höhenlage, 30 km im Tal; Open-Air-Stadion mit einer 5 km langen technischen Loipe mit mehreren Anstiegen für intensives Training.

Sportzentrum

Das Aquagranda beherbergt alles zum Thema Spa, Relax, Beauty – und einen 50-Meter-Pool, extrem wichtig fürs Höhentraining internationaler Athleten.

Schlafen & Träumen

Nicht nur zu Olympia 2026 Livigno dominieren eher familiäre Hotels und Ferienwohnungen. Nett und gut gelegen ist beispielsweise das Hotel Flora.

Schlemmen & Schlürfen

Hütten und Lokale gibt es in Hülle und Fülle!
Hütten: Costaccia, La Tana del Gatto, Tea da Cip e Ciop, Il Camanel di Planon. Direkt im Ort liegt Birrificio Livigno – die Brauerei mit Livigno-Bier, dem höchsten Bier Europas. Ein guter Spot für den Apero ist das Bivio Hotel.

Schauen & Staunen

Nicht nur während Olympia 2026 Livigno sollte man sich MUS! Museo di Livigno e Trepalle unbedingt ansehen. Das Museum erzählt beschwerlichen Bauernleben auf 1.800 Metern, von der Schmugglerhistorie und vom Beginn des Skisports.


Entdecke mehr von ALPENJOURNAL

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Das könnte dir auch gefallen …

Hinterlasse einen Kommentar